Predigt zum Glaubensbekenntnis
Liebe Gemeinde,
Wie kann man den wahren Gott erkennen? Wir hören dazu ein Wort von Jesus aus dem Mt. 11,25-27:
25 Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart. 26 Ja, Vater; denn so hat es dir wohl gefallen. 27 Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
Hier kommen wir zu einer entscheidenden Weichenstellung für den Glauben. Im Deutschen sagen wir: Ich glaube an Gott. Das macht den Glaubenden zum Subjekt, also zu dem, der handelt und bestimmt, und das macht Gott zum Objekt, also zu dem, der behandelt oder bestimmt wird. So verstehen das heute auch nicht wenige Menschen: Ich bestimme selbst, an wen ich glaube und was ich glaube. Das haben die Menschen zu allen Zeiten in den Religionen getan. Sie haben sich ein Bild von Gott gemacht und bestimmt, wer oder wie Gott für sie ist. Der Philosoph und Religionskritiker Ludwig Feuerbach hat das erkannt und gemeint, dass Gott eine Projektion des Menschen von sich selbst ist.
Wenn es darum geht, den wahren Gott zu kennen und nicht unseren eigenen Projektionen zu erliegen, muss es genau umgekehrt gehen: Nicht der Glaubende, der Mensch, sondern Gott ist das Subjekt, der Handelnde und Bestimmende, und der Glaubende das Objekt, über den bestimmt und an dem gehandelt wird. Genau das sagt Jesus:
Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
Das kommt ursprünglich auch im Glaubensbekenntnis zum Ausdruck. Im griechischen heißt es wörtlich übersetzt nicht: „Ich glaube an Gott“, sondern „Ich glaube in Gott hinein“. Ebenso im lateinischen „Credo in unum Deum“. Auch im Englischen heißt es: „I believe in god“ und nicht etwa: „I believe at god.“ Das bedeutet: Glauben können wir nur, wenn Gott selbst uns in seine Wahrheit, seine Wirklichkeit, ja in die Beziehung zu sich selbst hinein nimmt.
Wir können nur recht glauben, wenn wir in Gott sind. Und Jesus ist der, der uns in seine eigene Beziehung zum Vater hinein nimmt. Er zeigt und sagt uns, wer Gott ist: der Vater. Und wer er bei Gott ist: der Sohn. Gott ist in Jesus der Handelnde, das Subjekt. Und er handelt vom Anfang bis zum Ende. Uns als Glaubenden bleibt nur die Rolle der Empfangenden, der Annehmenden. Wir können es uns nur gesagt sein lassen.
Und das ist ganz leicht, ganz einfach, weil wir keine weiteren Voraussetzungen erfüllen müssen: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart“ Wir brauchen nicht große Weisheit und Klugheit, wir brauchen es nur zu glauben. Das können auch Kinder, Unmündige.
Das ist aber auch zutiefst provozierend und demütigend für den autonomen, aufgeklärten Menschen: Das Motto der Aufklärung war ja:
„Sapere aude“, nach Kant:„Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“
Das mag in vielen Bereichen des Erkennens gelten. Im Blick auf Gotteserkenntnis gilt das nicht. Da gilt das unmündig sein und eigene Weisheit und Klugheit zählt gar nichts.
Warum ist das so?
Stellen wir uns vor, wir würden zu unserem Ehepartner oder Freund sagen: „Du brauchst und sollst mir nichts mehr von dir und über dich sagen. Ich mach mir meine eigenen Gedanken über dich! Ich weiß alles auch ohne dich über dich.“ Was würden diese wohl denken? Würden sie sich ernst genommen fühlen? Und würden wir wirklich mehr und besser über sie Bescheid wissen als wenn wir mit ihnen reden und sie uns sagen können, was sie denken, wollen und wie sie sich fühlen?
Mit Gott ist es nicht anders! Wir können keine wahre Erkenntnis über Gott haben, ohne auf ihn selbst zu hören. Jesus hat uns von Gott als seinem Vater erzählt. Seit Pfingsten leitet Gottes Geist uns in alle Wahrheit, denn er erforscht die Tiefen der Gottheit, wie Paulus sagt. Und Martin Luther sagt in seiner Erklärung des 3. Artikels des Glaubensbekenntnisses:
„Ich glaube, das ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten“
Das ganze hat übrigens noch eine letzte, für viele überraschende Konsequenz: Wenn Religion der Versuch des Menschen ist, von sich aus, also auf natürlichem Wege, Gott zu erkennen und in Beziehung zu ihm zu treten, dann ist Jesus das Ende der Religion. Denn alle Versuche, von uns aus Gott zu erkennen, haben ihr Ende gefunden und sind zum Scheitern verurteilt. Das ist Gottes Plan und Wille:
Ja, Vater; denn so hat es dir wohl gefallen.
Dann ist aber auch das Christentum in seinem Kern keine Religion, sondern wahre Gotteserkenntnis aus Gott selbst heraus. Amen.